Die in den letzten Jahrhunderten vorhandene Trennung von Kindheit und Erwachsenen-Dasein verwischt sich durch die Entwicklung der modernen Medien, und die Schule verliert ihre Position als einzige sekundäre Sozialisierungsinstanz mehr und mehr. Handhabung und Nutzung von Computer und Internet sind inzwischen zu wesentlichen Kulturtechniken geworden und werden es in der Zukunft mehr und mehr. Damit wird die Fähigkeit zu einem sinnvollen Umgang mit dem Computer zu einer Schlüsselqualifikation. Viele Kinder verfügen bereits beim Schuleintritt über Grundlagen in dieser Schlüsselqualifikation bzw. erwerben sie während der Grundschulzeit, in den meisten Fällen jedoch (noch) außerhalb der Schule.
Die Diskussion um den Einsatz von Computern bereits in der Grundschule hat in den letzten Jahren Schwerpunktverlagerung erfahren. Anfangs war die Auseinandersetzung häufig gekennzeichnet durch Positionen, die sich verhärtet gegenüberstanden: Auf der einen Seite die Argumentation, die Kinder müssten so früh wie möglich mit diesem neuen Medium vertraut gemacht werden, um den Anschluss an die weltweite Entwicklung nicht zu verlieren, damit sie später auf dem Arbeitsmarkt und wir insgesamt als Nation international konkurrenzfähig bleiben. Auf der anderen Seite der mahnende Hinweis auf die Veränderungen, eine "Verarmung", die Kindheit heute gerade durch die modernen Medien erführe (vgl. Rolff/Zimmermann 1985), eine Entwicklung, der nicht noch Vorschub zu leisten sei. Nun soll diese Diskussion hier nicht allgemein und abstrakt geführt werden. Sie ist aber indirekter Bezugsrahmen und Hintergrund, auch und gerade, wenn man bedenkt, dass es nicht allein ein akademischer Diskurs ist, sondern eine Debatte, die in Lehrerzimmern, in Kinderzimmern, in Ministerien, an Stammtischen und wo auch sonst noch geführt wird und bei der es nicht nur um "Neue Medien" an sich geht, sondern um die Folgen, die der Einsatz dieser Medien in bildungs- und gesellschaftspolitischer Hinsicht hat. Dies ist die Dimension, in der auch einzelne Aspekte der technologischen Entwicklung und ihrer Folgen angesiedelt sind.
Inzwischen haben sich die Positionen aufeinander zu bewegt, sind weniger verhärtet, die Erfah-rungen anderer Länder sind weitgehend analysiert und ausgewertet (vgl. Herrmann 1994). Und auch die rasante Weiterentwicklung der Computer 1) hat ihren Teil dazu beigetragen, dass ein differenzierterer Umgang mit der Frage möglich geworden ist. Es hat sich die Einsicht weitgehend durchgesetzt, dass die Frage nicht lauten kann, ob Computer bereits in der Grundschule ihren Platz finden sollten oder nicht. Es geht inzwischen vielmehr darum, unter pädagogischen und didaktischen Gesichtspunkten zu entscheiden, wann, warum und wozu der Computer als ein nützliches Medium - unter anderen ! - im Lehren und Lernen in der Grundschule zu betrachten ist. Dies bedeutet auch, dass das Hauptaugenmerk nicht mehr nur auf fachbezogener Software, auf Lehr- und Lernprogrammen, liegt, sondern dass die Bereiche, die den Computer zu einem Werkzeug 2) machen, ins Blickfeld gerückt sind. Dies sind vor allem die Textverarbeitung und die Möglichkeiten, die sich aus ihrem wohl überlegten Einsatz gerade im Unterricht in der Grundschule ergeben. Und allein darum geht es hier im Folgenden.
Für viele Lehrkräfte der Grundschule allerdings kommt der Computer - selbst, wenn sie ihn für ihren persönlichen Gebrauch inzwischen nicht mehr missen möchten, bislang kaum als Medium des Unterrichts in Betracht. Dies mag daran liegen, dass die auf dem Markt vorhandenen Lehr- und Lernprogramme für Computer - sofern sie denn für den Bereich des frühen Fremdsprachen-lernens vorhanden sind - in der Tat methodisch und didaktisch oft noch sehr zu wünschen übrig lassen und auch nicht auf den Einsatz im Unterricht ausgerichtet sind. Es liegt aber gewiss auch daran, dass "Computer-Literacy", verstanden als die Fähigkeit, "fundiert und verantwortlich Si-tuationen, in denen es angemessen ist, Computer zu benutzen, von solchen Situationen zu unter-scheiden, in denen diese Nutzung nicht angemessen ist"(Krauthausen/Herrmann 1994b, 30) nicht bzw. nur in Ausnahmefällen Bestandteil ihrer Aus- und/oder Weiterbildung war und ist.
Die Erfahrung, die in einer ganzen Reihe von Freinet-Schulen mit dem Einsatz von Computern gemacht bereits gemacht wurden, zeigen, dass die Kinder "die sog. Computerliteracy, also die Fähigkeit, mit Computern umgehen zu können, bereits sehr früh, quasi nebenbei" (Fries 1995, 86) erwerben. Grabler 1999 weist darauf hin, dass "(...) nicht noch länger gezögert werden (darf), auch den Computer in Grundschulen vor allem als Schreib-Werkzeug einzuführen, um den Anforderungen der veränderten Kindheit in der neuen Medienwelt (kind-)gerecht zu werden, um die damit verbundenen Lernchancen nicht zu verpassen" (S. 33).