Tele-Tandem
Documents liés au projet / Texte in Zusammenhang mit dem Projekt
Anne Dussap-Köhler und Irmi Baumann, DFJW, 2007
Ein deutsch-französisches Projekt konzipieren
Inhalt

 
  2. Was ist ein gemeinsames Projekt?

Bevor man von einem gemeinsamen Projekt spricht, muss man sich nochmals ins Gedächtnis rufen, was darunter zu verstehen ist. Man kann von einem Projekt sprechen, wenn folgende Punkte erfüllt sind:
  • Das Projekt hat einen Anfang und ein Ende und ist in verschiedene Phasen gegliedert: Anfang und Ende müssen didaktisch gut durchdacht und klar definiert werden sowie für die Schüler erkennbar sein. Die Struktur des gemeinsamen Projektes ergibt sich aus den verschiedenen Etappen. Online-Begegnungen und physische Begegnungen fügen sich zu einem gesamten Tele-Tandemprojekt zusammen.

  • Das Projekt hat ein bestimmtes Thema, dessen Inhalt eingegrenzt ist und das den Ausgangspunkt für die gemeinsame Interaktion der beiden Klassen bildet. Dabei arbeiten die Schüler jedoch nicht nur an einem speziellen Thema, sondern sind vielmehr aktiv tätig im Prozess des « gemeinsamen Handelns »: sie erarbeiten zusammen mit den Schülern der Partnerklasse ein konkretes Produkt. Dieses Produkt stellt insofern etwas Besonderes und Einzigartiges dar, als es auf der Grundlage der Ideen und Entscheidungen der Schüler beider Partnerklassen entsteht, einen Bezug zur deren jeweiligen Lebenswelt hat und einen gemeinsamen Handlungsraum schafft. Die Ergebnisse einer solchen gemeinsamen Arbeit sollten konkret und sichtbar bzw. darstellbar sein (z.B. ein gemeinsam geplantes und vorbereitetes Fest, ein Essen, eine Zirkusvorstellung, ein Buch, eine interaktive Fotogeschichte usw.). Während der Erstellung des Produkts müssen verschiedene Kompetenzen entwickelt und gefördert werden und ein interdisziplinärer Ansatz gewährleistet sein. So können auch Schüler, die in der Fremdsprache etwas schwächer sind (oder weniger interessiert) Kompetenzen, die sie in anderen Bereichen haben, miteinbringen.

  • Das Einbeziehen der Schüler in den gesamten Prozess des Projekts: die Schüler sind zugleich Entscheidende, Organisatoren und Handelnde. Aufgrund dieser Rollen fühlen sich die Schüler für das Projekt verantwortlich, was sich auf ihre Motivation positiv auswirkt und das selbstständige Lernen fördert. Die Schüler verstehen, dass sie mit ihrem Handeln einen wichtigen Beitrag zum Gelingen des Projekts leisten. Der Handlungsspielraum, der ihnen bei der Auswahl der Aktivitäten und der Aushandlung mit der Partnerklasse gewährt wird, wird vom deutsch-französischen Lehrteam in Absprache definiert. Hier müssen die sprachlichen Fähigkeiten der Schüler berücksichtigt werden.

  • Die Realisierung eines didaktisch durchdachten Projektes bringt einen Wissens- und Kompetenzerwerb in verschiedenen Bereichen mit sich (sprachlich und interkulturell, technisches Wissen und Sachwissen) und auf methodischer Ebene Lernstrategien, die auf verschiedene Situationen übertragbar sind: Kooperation, miteinander und voneinander lernen, sich gegenseitig helfen, Lösungen finden, etc.

  • Im Projekt kommen zwei unterschiedliche Perspektiven zum Tragen:
    • Die Perspektive der Lehrkraft, die Lernziele und Inhalte mit dem Projekt verknüpft. Dies erfordert eine vorausschauende Planung der Aufgaben, ein stetes Abschätzen des Schwierigkeitsgrades, ein Erkennen der Lernsituationen, für die eine Vorentlastung notwendig ist. Des Weiteren müssen die für das Projekt relevanten Situationen und Handlungsschritte den Lernzielen gegenüber gestellt werden.

    • Die Perspektive des Schülers, für den die Durchführung des Projektes und das konkrete Ergebnis das wichtigste Ziel ist. Aus seiner Sicht ist Handeln wichtiger als Lernen, was sich positiv auf seine Motivation auswirkt.

  • Das Projekt stellt eine Herausforderung an die Gruppe dar. Jedoch sollten die Anforderungen den Fähigkeiten der Schüler Rechnung tragen und diese nicht überfordern. Lerninhalte und Lernziele werden von den Lehrkräften festgelegt und orientieren sich an den Vorgaben des jeweiligen Lehrplans. Den Lehrkräften kommen hierbei zwei wichtige Aufgaben zu: der Schwierigkeitsgrad sollte an das Niveau der Klassen angepasst werden sowie die während des Projekts erreichten Lernfortschritte, Lernerfolge und Lernstrategien verdeutlicht werden.

  • Evaluation der Lernprozesse: Die Ergebnisse werden nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Richtigkeit und Relevanz beurteilt, auch sollte der Lernprozess berücksichtigt werden. In einem „konstruktiven Umgang“ mit Fehlern wird der Lernerfolg nicht nach der Fehlerzahl bemessen (negativ) oder nach richtig/falsch beurteilt, sondern das, was die Gruppe zum Gelingen des Projekts beigetragen hat, positiv hervorgehoben. Das Bewusstsein über den eigenen Lernprozess erfolgt nicht mehr anhand einer individuellen Beurteilung (richtig/falsch), stattdessen werden „Fehler“ als Ausdruck des Lernprozesses betrachtet. Sie geben Aufschluss über die Hypothesenbildung durch die Lerner. Die Schüler sollen zur Risikobereitschaft ermutigt werden (auch wenn sie dadurch Fehler machen) und so zur angemessenen und konstruktiven Verbesserung eigener und fremder Leistungen beitragen (dazu müssen sie akzeptieren, korrigiert zu werden und diese Korrekturen zu verinnerlichen. Sie müssen außerdem die Partner mit Respekt und Empathie korrigieren). Die Lehrkräfte können den Schülern anhand konkreter Beispiele klar machen, welches Wissen in der Gruppe erworben wurde und welche Lernstrategien entwickelt und angewendet wurden. Dies ist ein wichtiger Schritt, um dem Projekt den Charakter einer didaktisch-methodischen Vorgehensweise zu verleihen.

  • Der Entstehungsprozess des Projekts ist einmalig, da die Partner gemeinsam an einer Aufgabe arbeiten. Diese Arbeit ist geprägt von Abenteuerlust und Innovation, was für die Schüler besonders motivierend ist. Sie sind (Mit-) Entscheidende und verantwortlich Handelnde und können den Projektverlauf stark mit beeinflussen. Sie lassen sich auf ein sprachlich und kulturell völlig neues Abenteuer ein und gestalten zusammen einen gemeinsamen neuen Handlungsraum, zu dem alle Schüler der beiden Partnerklassen gehören. Dies ist auch ein Wagnis für die Schüler, die über geringe Kenntnisse in der Fremdsprache oder im Umgang mit technischen Medien verfügen. Die Lehrkräfte müssen daher darauf achten, dass diese Herausforderung angenommen und bewältigt werden kann.


Warum sollte das Projekt gemeinsam durchgeführt werden?
Wenn man einen Austausch mit einer Partnerklasse plant, wird häufig das Kennenlernen des Nachbarlandes als Ziel definiert. Demzufolge dient dann die Partnerklasse als Studienobjekt, um Vergleiche zwischen der eigenen und der anderen Lebensweise sowie den Handlungen anzustellen. Diese Art von Austausch ist sicherlich interessant und bringt durchaus Ähnlichkeiten, Unterschiede und Grenzen zwischen den beiden Kulturen zutage. Die Rolle des Schülers geht jedoch nicht über die eines Beobachters hinaus, Interaktionen und intensiver Austausch bleiben dem Zufall überlassen. Hier stellt sich die Frage, ob es notwendig ist, in das andere Land zu fahren, um sich landeskundliche Informationen zu verschaffen, da mittlerweile jedes Lehrbuch landeskundliche Themen beinhaltet und entsprechendes Material im Internet zugänglich ist.

Um einen wirklichen Austausch im Sinne von „miteinander, voneinander, füreinander“ zu erreichen, darf die Reise zum Partner (oder das Empfangen des Partners) nicht rein landeskundlich motiviert sein, sondern muss das Ziel verfolgen, konkrete und direkte Interaktionen zwischen den Schülern und zwischen den Partnerklassen herzustellen. Das gemeinsame Projekt schafft also die Notwendigkeit, gemeinsam etwas zu produzieren, ein konkretes Ergebnis am Ende der Interaktionen zu haben. Dem gemeinsamen Projekt kommt die Rolle des Bindeglieds zwischen den beiden Klassen zu.

  • Das Projekt bringt beide Partnerklassen zusammen und sollte so geplant sein, dass die intensive Zusammenarbeit der Schüler beider Partnerklassen zu einem gemeinsamen Ergebnis führt. Es handelt sich nicht um einen Vergleich der jeweiligen Systeme, sondern um Interaktionen, Aushandlungen, Entscheidungen und Handlungen, die zu diesem gemeinsamen Ergebnis führen und in dem sich alle Schüler aufgrund ihrer Beiträge, die sie geleistet haben, wieder finden. Das Projekt kann also nur durch das gemeinsame Engagement der beiden Partnerklassen entstehen: Aushandeln, Kooperieren und Koordinieren sind Voraussetzungen, um das „Gemeinsame“ herzustellen. Dafür wiederum ist die Kommunikation zwischen den Schülern unabdingbar. Sie müssen für die Durchführung des gemeinsam entworfenen Projekts Kommunikationsstrategien, sprachliche und interkulturelle Kompetenzen entwickeln, die für die Kommunikation mit dem Partner notwendig sind und die situationsspezifisch und kontextgebunden sind. Das Zusammenspiel der Gruppe und der sich ergänzenden Fähigkeiten sowie die Bereitschaft, sich gegenseitig zu helfen, erleichtern die Bewältigung dieser Herausforderung.

  • Wenn man von Kooperation zwischen den Schülern spricht, setzt das natürlich eine enge – über die Koordination des gemeinsamen Projekts hinausgehende - Kooperation zwischen den Lehrkräften voraus: dies erfordert regelmäßige Absprachen, die Abstimmung der gemeinsamen Unterrichtseinheiten - auf Distanz (Tele-Tandem Aktivitäten) oder während der physischen Begegnung. Des Weiteren muss ein Austausch über die pädagogischen Ansätze und ihre Umsetzung stattfinden. Das Vertrauen, das dem Partner und seinen pädagogischen Fähigkeiten entgegen gebracht wird, stellt die Grundlage einer erfolgreichen Kooperation zwischen den Lehrkräften dar.


Durch die konkrete Umsetzung des Projekts und die greifbaren Ergebnisse wird das Engagement der Schüler aufgewertet. Sie werden damit zu Akteuren in einer internationalen Kooperation, zu europäischen Bürgern. Durch diese Erfahrung überschreiten sie den schulischen Rahmen und werden mit interkulturellen Unterschieden und dem Umgang mit einer anderen Kultur konfrontiert. Sie lernen somit, in einer komplexen und von Vielfältigkeit geprägten Welt zu leben.

Die Kooperation zwischen beiden Klassen (Schüler und Lehrkräfte), d.h. das Faire ensemble, das „gemeinsam Handeln“ sowie ein gemeinsames, innovatives Ergebnis machen den Projektcharakter aus und grenzen das Projekt von themenbezogenem Arbeiten ab, welches im besten Falle einen Informationsaustausch ermöglicht. Die Unterschiede zwischen beiden Ansätzen können folgendermaßen zusammengefasst werden:

Themenorientiertes Arbeiten
  • Reise zum Austauschpartner und Besichtigungsprogramm

  • Vergleich zwischen Deutschland und Frankreich (auf landeskundlichen Fakten beruhend)

  • Untersuchung eines landeskundlich interessanten Sachverhalts im anderen Land

Vergleichende Aufgaben zu einem Thema
(Feste in Deutschland und in Frankreich, Essen in Deutschland und in Frankreich und in Deutschland, Mode und Trends in Deutschland und in Frankreich)

Durchführung eines gemeinsamen Projekts
  • Konkrete Durchführung, die innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens organisiert wird

  • Ein neues Produkt, das Elemente der kulturellen Umgebung der deutschen und französischen Kinder verbindet

  • Kooperation zwischen zwei Partnerklassen

  • Die Durchführung des Projekts ermöglicht die Wissens- und Kompetenzerweiterung

  • Das gemeinsam Handeln

  • Lernprozesse und Erfolge werden hervorgehoben und aufgewertet

  • Abenteuer in Maßen und innerhalb eines bestimmten Rahmens

Beispiele für ein Projekt:

Verfassen einer Geschichte (Buch) ausgehend von einer deutschen und französischen Figur, Realisierung einer Zirkusvorstellung oder Erschaffen einer imaginären Welt (ein dt.-frz. Planet, eine deutsch-französische Schule, ein Restaurant, eine Simulation Globale), Erstellung eines Videofilms, einer Modenschau, etc.

 
 

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