Tele-Tandem
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Heidemarie Sarter
« Fremdsprachen und Internet »
(Computer und Internet in der fremdsprachlich-interkulturellen Arbeit in der Grundschule)
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5. Der didaktische Aspekt des sprach- und fächerübergreifenden Arbeitens

Arbeit im Tandem bedeutet, wie bereits ausgeführt, dass zweisprachig verfahren wird: ein Teil der Texte wird in der Mutter- bzw. Schul/Zweitsprache formuliert, ein anderer in der Fremdsprache. Nun sind die derzeitigen Vorgaben zum Einsatz von Schrift in der Fremdsprachenarbeit in der Grundschule eher zurückhaltend: eigenständiges Schreiben in der anderen Sprache ist im Allgemeinen nicht vorgesehen. Von daher wird es nicht möglich sein, diesen Teilbereich der Tandem-Arbeit mit gleicher Intensität zu verfolgen wie die Erarbeitung von Texten in der Muttersprache, die sich an die Partner(klasse) richten.

Dass Textverarbeitungsprogramme im Rahmen der (mutter- und zweitsprachlichen) Spracharbeit in der Grundschule sinnvoll eingesetzt werden können, wird inzwischen durch viele Veröffentlichungen belegt und ist an vielen Beispielen illustriert. Schriftspracherwerb, darauf weist Bleyl 1999 hin, wird "zunehmend als ein Prozess der Selbstorganisation im Kopf des Lerners erkannt" (S. 47), das bedeutet, mehr und mehr "Abschied vom Input-Output-Prinzip, vom Lehren als dem mundgerechten Zerstückeln des Lernstoffs" (S. 49). Gerade für den Prozess des Schreiben Ler-nens hat sich, so die von Brügelmann 1994 (insb. S.134-136) referierte Erfahrung, die Arbeit mit Textverarbeitungsprogrammen im Anfangsunterricht Lesen und Schreiben im Großen und Ganzen als positiv erwiesen, dies jedoch unter der Vorgabe, dass - in Abgrenzung zu M. McLuhan - ‘das Medium nicht die Botschaft ist’. Brügelmann kennzeichnet seine Haltung gegenüber dem Compu-ter in der Grundschule als "vorsichtig-offen" und betont, dass "wer positive Wirkungen des Computer-Einsatzes in der Schule verspricht oder negative befürchtet, (...) dies redlich nur tun (kann), wenn er konkrete (didaktische) Verwendungsformen benennt und seine Erfahrungen auf ein bestimmtes (soziales) Umfeld bezieht" (S. 128). Dabei dürften die alten Medien nicht per se zur Norm erhoben werden. Hinzu komme die Tatsache, dass viele Kinder bereits bevor sie in die Schule kommen, "wichtige Schritte auf dem Weg zur Schrift" getan haben "- beiläufig und mit anderen Zielen" (S. 129) oder anders ausgedrückt: instrumentell motiviert. Computer und ihre Programme könnten parallel zur gegenwärtigen Schul- und Unterrichtspraxis verwendet werden, diese also lediglich, wenn auch in anderer Form, verdoppeln. Sie könnten aber auch als Herausforderung gesehen werden, pädagogische und didaktische Konzepte zu überdenken und dabei gegenwärtige Entwicklungstendenzen wie die zunehmende Omnipräsenz von Computern zu berücksichtigen. Wichtig ist vor allem die Funktion, die die Arbeit am Computer im Gesamtplan für die Schüler und Schülerinnen hat: "Primär kommt es darauf an, welche Rolle das (freie) Schreiben im Unterricht überhaupt spielt, ob es z.B. für die Kinder als Medium eines ernsthaften Austauschs von Inhalten, persönlichen Gefühlen, aber auch Sachinformationen [...] erlebt wird." (S. 136)

Geht es darum, über die selbst erstellten Texte den Kontakt mit einer Partnerklasse aufzubauen und zu pflegen, ist nicht nur das Medium auch in den Augen der Kinder gerechtfertigt; sie werden auch versuchen, seine Möglichkeiten so weitgehend wie möglich auszuschöpfen. Dabei können Sachinformationen gut mit kreativer Arbeit verknüpft werden und die verfassten Texte abwechs-lungsreich und partnerorientiert erarbeitet werden.

Es gibt es eine Vielfalt von Schreibanlässen, die ebenso computerspezifisch umsetzbar wie kind-gerecht sind, und die im Unterricht in der Grundschule in Tandemarbeit mit einer Partnerklasse bearbeitet werden können.
8) Die Liste der möglichen Schreibanlässe auch für die fremdsprachliche Tandem-Arbeit in der Grundschule ist lang; angefangen von recht traditionellen Themen, wie

• sich vorstellen,
• die Schule / die Stadt /die Region vorstellen,
• über den Alltag berichten
9),
• was ich/wir gern / nicht gern tun, essen, trinken, lesen, im Fernsehen schauen
• welche Tiere sind in unserem Zoo
• über Feste, Feiern und Ferien schreiben etc.

bis hin zu sehr spezifischen partnerbezogenen Bereichen und Interessen, die sich im Laufe der gemeinsamen Arbeit durch Wünsche oder Anfragen der Partner ergeben. Es können aber auch gemeinsame Projekte entstehen, wie

• gemeinsam eine Geschichte schreiben (einsprachig oder auch zweisprachig),
• einen "Geschichtenwurm" (analog zu Küper 1999) schreiben,
• Wir erstellen unser (Bild)Wörterbuch,
• "Welche Geschichte erzählt euch unser Bild?" (analog zu Kurth 1999),
• sich gegenseitig Rätsel stellen (Fragen, Kreuzworträtsel, Wörter finden in Texttabellen etc.).

Im Prinzip eignet sich jedes Thema, von dem die Schüler und Schülerinnen meinen, es interessiere ihre Partner.
Ist das Thema einmal gefunden, sollte die Erarbeitung der ausgangssprachlichen Texte arbeitsteilig und in Gruppenarbeit erfolgen. Über diese Sozialform ergibt sich unter den Schülerinnen und Schülern erfahrungsgemäß (auch bereits ohne Einbindung in Tandem-Arbeit) eine intensive Kommunikation über die Inhalte und ihre Umsetzung. Das arbeitsteilige Vorgehen überträgt jeder Gruppe die Verantwortung für den von ihr zu bearbeitenden Teil und stärkt auf diese Weise das Verantwortungsbewußtsein und die Persönlichkeit der Kinder.

Im Zusammenhang der Erarbeitung der Texte für die Partnerklasse kann die Recherchefunktion des Internet genutzt werden. Auf diese Weise kann und sollte die Frage der Beschaffung, des Umgangs und der Auswahl von Informationen aus dem Netz mediendidaktisch angegangen werden. (Soweit uns bekannt, ist dieser Bereich bislang in der Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte noch kaum bis gar nicht vertreten. Hier gilt es Modelle und Diskussionsvorlagen zu entwickeln.)

Nicht nur Hänggi 1999, 10 weist darauf hin, dass "der kreative Schreibprozess am Computer (...) oft eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Text (bewirkt)", die sich insbesondere sehr motivationsfördernd für Schüler mit geringer Schreibmotivation auswirke. Die Arbeit mit Tastatur und Bildschirm komme aber auch denen mit feinmotorischen Schwierigkeiten entgegen. Insgesamt sei die Bereitschaft zur Überarbeitung und Erweiterung der Texte größer als bei herkommlicher Texterstellungsarbeit. Diese Faktoren
10) schlügen deshalb so wesentlich zu Buche, weil das Her-stellen und Überarbeiten eigener Texte eine zentrale Aufgabe des (Sprach)Unterrichts in der Grundschule sei. Das Textverarbeitungsprogramm hilft bei der Texterstellung, der Überarbeitung und Korrektur 11). Mühseliges Auf- bzw. Abschreiben jeder neuen Fassung entfällt; der Bildschirm zeigt den jeweils letzten Stand der Erarbeitung und Präsentation der Texte. Diese Texte können ausgedruckt, ‘vorgezeigt’ und weiterbearbeitet werden. Dabei ist gerade die konkrete Adressatenbezogenheit ist wesentlicher Aspekt der Motivationsförderung. Die fertig gestellten Texte, ebenso wie die von der Partnerklasse erhaltenen können ausserdem im Rahmen unterschiedlicher Aktivitäten an der eigenen Schule vorgestellt werden (bspw. bei Projekttagen, Elternabenden, Tagen der ‘Offenen Tür’, Bericht in der Lokalpresse etc.)

Das Thema zu finden, es aufzuteilen in einzelne Aspekte, die von den unterschiedlichen Gruppen bearbeitet bzw. vorbereitet werden, reicht jedoch nicht aus. Denn es ist gerade für den ausgangssprachlichen Teil ein weiterer wichtiger Arbeitsschritt einzuplanen: Nach der Festlegung des Themas, über das geschrieben werden soll, gilt es die Bedingungen des Textes mit der Klasse zu diskutieren. Aber nicht nur Umfang, Länge der Texte, Verhältnis Text-Bilder, Aufbereitung des Textes etc. müssen Gesprächsgegenstand sein, sondern auch die Zielorientierung muss den Kindern bewusst gemacht werden. Die Tatsache, dass ihre Partner noch über relativ geringe Kenntnisse des Deutschen verfügen, dass der Text so abgefasst werden muss, dass die Partner ihn verstehen werden. Dazu kann die Umsetzung / Aufbereitung der Texte als Hilfestellung genutzt werden, und den Kindern kann nahe gebracht werden, sie in dieser Funktion vorzusehen und aufzubereiten. Ausgehend von ihren eigenen Kenntnissen in der anderen Sprache lernen sie die Deutschkenntnisse ihrer Partner zu berücksichtigen und sich an diesen orientierend auch für einen gewisse Bereicherung des Wortschatzes und der Strukturen ihrer Partner verantwortlich zu fühlen. Ähnliches gilt für die Informationen, die den Partnern beispielsweise übermittelt werden sollen. Ausgangsfrage sollte hier sein: "Was weiß ich vom Anderen?", um daraus Erwartungen an den Kenntnisstand des Anderen abzuleiten. Dieses Element der Bewusstmachung und Berücksichtigung des Ausgangspunktes des Anderen - immer im Vergleich zum eigenen - sehen wir als eine wichtige Komponente im interkulturellen Lernen: Sensibilisierung für empathisches Verhalten kann auch auf diese Weise lehrbar werden.

Die Aufbereitung der Texte appelliert an die künstlerische Kreativität der Kinder. Die gängigen Textverarbeitungsprogramme bieten vielfältige Möglichkeiten der Gestaltung: Variation durch den Einsatz unterschiedlicher Schrifttypen und -größen, durch Rahmensetzung, Malen mit Wörtern, Anreichern des Textes durch Bilder (eingescannt oder mit Graphikprogrammen erstellt) und Photos etc. Auf diese Weise kann sinnvoll fächerübergreifend zum Kunstuntericht und zur Sensibilisierung für ästhetische Aspekte gearbeitet werden.

Ist auch die Tandem-Arbeit im Allgemeinen durch die Zweisprachigkeit gekennzeichnet, so bedeutet dies nicht, dass nicht auch davon abgewichen werden kann. Es ist durchaus möglich, das jeder Partner seinen Teil in seiner Sprache verfasst, und die fremdsprachliche Ebene sich auf die gemeinsame Erarbeitung der vom Partner erhaltenen Texte beschränkt. Wir sehen es aber durchaus als möglich, auch kleine Texte zu bekannten Themen in der Fremdsprache zu erarbeiten.

Auch für den fremdsprachlichen Teil der Texte gilt: Sind die Kinder motiviert, haben sie etwas zu sagen, wollen sie etwas umsetzen, so werden sie - unter didaktisch strukturierend-reduzierender Anleitung der Lehrkraft - das lernen, was sie dazu benötigen. Für viele der Schreibanlässe ist das Lexikon, sind kleine Sätze und Strukturen bereits vorher mündlich erarbeitet. Es wird sicherlich nur in wenigen Fällen die technische Ausstattung vorhanden sein, Audio- und Videomaterialien einzubinden. Aber auch hier kann viel mit Bildern und Zeichnungen gearbeitet werden. Allerdings wird es unumgänglich sein, Schrift mit einzubeziehen. Die langsame fortschreitende Verwendung von Schrift im Fremdsprachenunterricht der Grundschule scheint uns - nicht zuletzt aus Gründen einer gerade zum Ende der Primarschulzeit immer stärker benötigten Binnendifferenzierung - durchaus möglich, wird hierbei nicht wahllos vorgegangen, sondern eine didaktisch wohl überlegte Progression verfolgt.
12) Hilfestellungen der Lehrkraft bei der Formulierung und Verschriftlichung der fremdsprachlichen Texte der Schüler und Schülerinnen sind nötig. Aus dem, was die Kinder schriftlich formulieren möchten, kann die Lehrkraft auch in Hinsicht auf die Umsetzung des fremdsprachlichen Verhältnisses von Phonie und Graphie, von Laut und Schriftzeichen, Diskussionsstoff für sprachvergleichende Unterrichtsgespräche gewinnen.

Die von der Partnerklasse gesendeten fremdsprachlichen Texte müssen von ihr vorgelesen werden. Die Umsetzung und Erarbeitung der erhaltenen Texte in eine korrekte Aussprache und Prosodie müssen von ihr mit der Klasse erarbeitet werden. Die inhaltliche Erfassung kann mit ihrer Hilfe von den Schülerinnen und Schülern weitgehend selbst übernommen werden; sind die Texte der Partnerklasse nicht so aufbereitet, dass das gesamte Lexikon sich aus Text und Bild erschließt, so spricht auch nichts dagegen, die Schüler und Schülerinnen in diesem Zusammenhang an den Gebrauch von Wörterbüchern heranzuführen. Diese sollten allerdings auf altersspezifisch ausgerichtet sein. Es spricht auch nichts dagegen, dass im Vorfeld jedes Austauschs gemeinsam von den beiden beteiligten Lehrkräften ein solches Wörterbuch erstellt wird, das den Schülern und Schülerinnen zur Verfügung gestellt wird. (Dabei muss sich die schriftliche Form der Wörter bei den Kindern mit der richtigen Aussprache verbinden.) Auf diese Weise kann im Laufe der Partnerarbeit ein klassenspezifisches Wörterbuch erstellt werden.

 
 

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