Tele-Tandem
Mise en pratique dans les classes partenaires / Umsetzung in den Partnerklassen

Katja Eisenächer
"Tele-Tandem"- Auswertungstagung
Stuttgart, 10.-12. September 2004
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Inhaltsverzeichnis


 
 
6.2 Eberswalde / St. Martin des Champs
(Sonja Werdermann und Holger Beckmann)

Holger unterrichtet Deutsch am Collège Tanguy Prigent in St. Martin des Champs (Bretagne), Sonja ist als Französisch-Lehrerin an der Goethe-Realschule in Eberswalde (Brandenburg) tätig. Die beiden Lehrer kennen sich seit ungefähr drei Jahren. 108)

Auf dem Einführungsseminar in Berlin wurden Holger und Sonja mit der Tandemmethode vertraut gemacht und lernten die übrigen Lehrer-Tandems kennen. Dabei stellte Sonja "mit Stolz und Erstaunen" fest, dass ihre Schule die einzige Vertreterin aus den neuen Bundesländern war. Mit ihrere Teilnahme am DFJW-Projekt wollten Holger und Sonja beweisen, dass eine dt.-frz. Partnerschaft trotz großer geografischer Entfernung erfolgreich sein kann. Nachdem sie gemeinsam die Themen für die zukünftige "Tele-Tandem"-Arbeit festgelegt hatten ("Typische Gerichte aus Frankreich und Deutschland" / "Mode im Wandel der Zeiten"), testeten sie MSN im Laufe privater Internetsitzungen, wobei sie "technisches Neuland betraten". Auf frz. Seite nahmen 18
109) Deutschlerner der Klassenstufen 5ème, 4éme und 3ème teil 110), auf dt. Seite 19 Französisch lernende Schüler aus den Wahlpflichtgruppen der 7., 8. und 9. Klassen. Es gab zwei physische Begegnungen, auf welche die Partner durch wöchentliche Internetbegegnungen "besser vorbereitet werden sollten". Da die teilnehmenden Schüler jeweils aus unterschiedlichen Klassen(-stufen) stammten und somit unterschiedliche Stundenpläne hatten, mussten Holger und Sonja jede Sitzung neu vorbereiten. Dies geschah einmal wöchentlich per Webcam. Für die Sitzungen wurden teils Schüler aus ihrem regulären Unterricht befreit und teils Stunden verlegt.

Die erste "Tele-Tandem"-Sitzung fand im November statt und ermöglichte es den dt. und frz. Schülern, sich kennen zu lernen. Zuvor hatten sie bereits selbst angefertigte Porträt-Zeichnungen ausgetauscht, die sie im Laufe ihrer Kontakte durch Namen, Hobbys, etc. vervollständigen sollten. Wie auch bei den übrigen "Tele-Tandem"-Teilnehmern war der Weg zum ersten "Tele-Tandem"-Kontakt zwischen den Schulen von technischen Problemen gesät. Obwohl beide Einrichtungen über einen Informatikraum mit ADSL-Anschluss verfügen, gab es zunächst während der Test-Videokonferenzen zwischen St. Martin und Eberswalde weder MSN-Kontakt noch Ton. Das lag offensichtlich daran, dass die Computer an die jeweiligen Schulserver angeschlossen waren, die den Transfer bestimmter Dateien nicht zuließen (Router-konfiguration, Network Adress Translation, Firewalls etc.). Die Schulen lösten das Problem schließlich, indem sie je einen der Rechner vom Netzwerk abkoppelten. Allerdings mussten sich die Schüler für den "Tele-Tandem"-Kontakt fortan mit je einem Computer begnügen. Dafür konnten die Partner anschließend nicht nur über E-Mail, sondern auch per MSN-Chat und Webcam mit Audioverbindung miteinander kommunizieren – wenn auch mit mittelmäßiger Tonqualität, was die partnerschaftliche Korrektur erschwerte. Auf dt. Seite verließ jeweils eine Gruppe von fünf Schülern nacheinander den Französisch-Unterricht und kommunizierte im Informatikraum mit den frz. Partnern. Für die Betreuung dieser Gruppe hatte der Schulleiter eine sehr gute Schülerin einer höheren Schulklasse freigestellt, die diese Rolle sehr gern übernahm. Sie wurde von Sonja in das "Tele-Tandem"-Projekt eingeführt und leistete vor allem beim Spracherwerb Unterstützung. So hatte sie z.B. die Aufgabe, die Schüler an Redewendungen wie "bitte noch einmal" oder "etwas lauter bitte" zu erinnern. Laut Sonja ermöglichte diese Lösung effizientes Arbeiten. Die Schüler, die gerade nicht mit ihrem "Tele-Tandem"-Partner sprachen, beteiligten sich auf dt. Seite am Französisch-Unterricht. Auf frz. Seite hörten die restlichen Schüler aufmerksam zu und notierten Informationen. Sonja berichtete, dass es bei ihren Schülern vor der ersten Sitzung Ängste gab: Sie seien nach etablierter Webcam-Verbindung "einen Schritt zurück gewichen". Die jüngste Schülerin habe sich schließlich getraut, den Anfang zu machen und mit den Franzosen in Kontakt zu treten.
111) Diese Angst verflog bald auf beiden Seiten und die Schüler freuten sich stets auf die nächste Sitzung mit ihren Partnern.

Per "Tele-Tandem" wurde in Vorbereitung des ersten physischen Treffens Vokabular zu je einem dt. und frz. Gericht ausgetauscht (Quiche lorraine und Kartoffelsalat mit Frikadellen). Jeder Schüler sollte seinem Partner die Namen von Zutaten und Kücheninstrumenten sowie entsprechende Kochanweisungen beibringen, so dass schließlich das jeweilige Rezept komplett vorlag. Holger hatte seinen Schülern zur Vereinfachung der Kommunikation mit den dt. Partnern eine Liste mit nützlichem Vokabular zur Verfügung gestellt ("Gibst du mir bitte ...?", Hilfst du mir bitte bei ....?").

Die erste physische Begegnung wurde durch acht "Tele-Tandem"-Sitzungen vorbereitet und fand vom 7. – 13. März 2004 in Eberswalde statt. Die Partner setzten ihre Tandemarbeit vor Ort fort: Sie kauften z.B. gemeinsam die Zutaten für die o.g. Mahlzeiten, die sie anschließend zubereiteten. Auch ein gemeinsamer Berlin-Besuch stand auf dem Programm. Die zweite Begegnung fand drei Wochen später, vom 20. – 27. März 2004, in der Bretagne statt. Ziel war die partnerschaftliche Umsetzung einer Modenschau im collège. In Arbeitsgruppen erstellten die Schüler ein thematisches dt.-frz. Wörterbuch, fertigten Dekorationen an, stellten Kostüme zusammen, wählten Musik aus, erarbeiteten eine Moderation und studierten die modischen Vorführungen ein. Die einwöchige Arbeit wurde nur von einem Besuch bei Océanopolis in Brest und einem Empfang beim Bürgermeister unterbrochen. Im Vorfeld hatte es drei "Tele-Tandem"-Sitzungen gegeben, die "bedeutend lebhafter waren, als die ersten Sitzungen."
112) Obwohl Ton und Bildqualität während des Internetkontakts oft zu wünschen übrig ließen, hatte letzterer doch eine "beruhigende und zugleich motivierende Wirkung" auf die Partner, so Holger. Dieser Effekt wurde besonders im Laufe der zweiten physischen Begegnung deutlich. Durch die "Tele-Tandem"-Arbeit lernten sich die Schüler im Vergleich zu herkömmlichen Austauschprogrammen besser kennen; es kam zu realen Kommunikationssituationen. "Die Schüler hatten wirklich die Lust und das Bedürfnis, sich zu unterhalten und auszutauschen." 113) Die "Tele-Tandem"-Arbeit aus der Entfernung bewirkte laut Holger zudem, dass die Schüler begriffen, was "Kommunikation" eigentlich bedeutet: "Wenn ich im richtigen Moment das Richtige sage, erziele ich innerhalb der Kommunikation einen Erfolg und kann mein Projekt voran treiben." Es sei für die Schüler einfacher gewesen, sich mit den Partnern zu unterhalten, als sich während des regulären Unterrichts zu äußern: "Durch die Projektarbeit war die Situation natürlicher. Die Schüler hatten keine Angst, Fehler zu machen." Die physischen Begegnungen bezeichnete Sonja als den Höhepunkt der "Tele-Tandem"-Arbeit. Sie ist sich sicher, dass die Schüler stets ein "Stück Frankreich und Deutschland im Herzen tragen werden" und dass das Projekt einen großen Einfluss auf die Weiterentwicklung der Persönlichkeit ihrer Schüler hatte. Die Partner stehen über Briefe und Mails weiterhin privat in Kontakt.

"Diese Generation wird sich nie wieder bekriegen." (Zitat Sonja Werdermann)

Für Sonja war das "Tele-Tandem"-Projekt wichtiger Mittelpunkt ihrer Arbeit. Sie bezeichnete es als einen "ersten Schritt zum Resultat". Ein Jahr "Tele-Tandem" – hierin sind sich Sonja und Holger einig – reicht nicht aus. "Es bringt die Schüler auf den Geschmack und muss nun fortgesetzt werden." Nach einjähriger Erprobungsphase gibt es ansatzweise Ergebnisse in Bezug auf den Spracherwerb. Diese lassen sich nach Ansicht der beiden Lehrer allerdings frühestens nach einer zweijährigen Projektphase realistisch beurteilen. Der größte Lernzuwachs ist laut Sonja gegenwärtig im zwischenmenschlichen, d.h. interkulturellen, Bereich zu verzeichnen. Vorurteile und Ängste vor den "anderen" ("Das sind Menschen wie wir") aber auch vorm eigenen Sprechen wurden abgebaut. Wichig sei im Moment weniger, ob 20 von 25 Vokabeln behalten werden, sondern dass "Tele-Tandem" bei den Schülern eine Motivation zum selbständigen Weiterlernen erreicht hat. Sonja berichtete, dass das Projekt bei fast allen ihrer Schüler zu verbesserten Leistungen führte, denn "sie sprechen plötzlich im Unterricht". Holger beobachtete, dass Schüler mit guten schulischen Leistungen manchmal Kommunikationsschwierigkeiten hatten, während andere mit weniger guten Resultaten sich zu verständigen wussten. "Tele-Tandem", so Sonja, sei "Unterricht anders". Internetrecherche könne man ständig betreiben, wichtig sei aber "ein echter Mensch auf der anderen Seite des Computers. Das ist lebendiger Unterricht."

Auch innerhalb der Schulen hat das Projekt seine Wirkung erzielt. Holger erhielt die Unterstützung eines Technikers sowie mehrerer Kollegen seines collèges. In Sonjas Schule hätten auch die Russisch und Englisch lernenden Schüler gern an einem "Tele-Tandem"-Projekt teilgenommen. Die dt. Schule unterhält Partnerschaften mit einer polnischen und mehreren anderen dt. Schulen. Während der entsprechenden Begegnungen gebe es zwar auch Projektarbeit, so Sonja, diese sei aber weniger lebendig und finde getrennt vom Unterricht statt. "Das ist bei "Tele-Tandem" anders. Die Kooperation und ihre Ergebnisse können im Unterricht ausgewertet werden." Sonja hat ihren dt. Lehrerkollegen regelmäßig von der "Tele-Tandem"-Arbeit berichtet und ihnen sogar Auszüge aus einem zum "Tele-Tandem"-Projekt gedrehten Film vorgeführt, welcher während der zweiten physischen Begegnung in der Bretagne entstand. Auch die Presse und ein Lokalsender veröffentlichten Beiträge zum Thema "Tele-Tandem". Sonja hat sich innerhalb ihrer Schule stark für das Projekt eingesetzt und bekam nun zur Weiterführung eine AG-Stunde zugesprochen.

 
 

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